Abrakadabra

Ich ziehe mir heute einen neuen Namen über und dann gehe ich auf Reisen. Frische Formate erleben, experimentieren, lernen. Will wieder aufwachen ohne Hintergrund – Blankotage starten, auf den Schwingen des groben Unfug den bekannten Orbit verlassen… Und weil unser Kosmos eine doch recht weitläufige Angelegenheit ist, kann es eine ganze Weile dauern, bis ich wieder zurück bin. In der Zwischenzeit bleibt Seltenheim weiter erhältlich. Also solange der Vorrat noch reicht.

Danke fürs Mitlesen.
Steinbart

P.S. Abrakadabra ist wohl auf das aramäische אברא כדברא (avrah k’davra) zurückzuführen: Ich erschaffe, während ich spreche.

fleischmאrkt, 8:82 uhr

Das Licht geht an.
Das Licht geht aus.

Ich kehre in die altbekannten Räume zurück und verstehe wieder nicht, wohin die Flure führen. Es fühlt sich an, als sei ich der Zeit auf den Leim gegangen, die die Tapeten von den Wänden schält und Pilze züchtet, Furcht und Falten. Ich drehe eine weitere Runde, öffne, schließe Türen, werde langsamer, entpuppe die Puppen in den spinnwebenen Ecken und bloß schauen sie mir nach. Stehen bleibe ich nie.

Das Licht geht an.
Das Licht geht aus.

Dieser Sequenz unterliegt ein lang anhaltender Schrei, nicht so ein herzlich bemühter Schrei sondern einer jener Art, die aus tief liegendem und schier unerträglichem Schmerz hervorgeht. Ich nenne es das Radio Friendly Preacher Feature. Das Mikro in der einen Hand, die andere Hand am Sack. Und was da raus kommt aus meinem Maul ist alles andere als bescheiden: Ich bin Gott. Der goldene Aleph, ein hysterisches Bündel Kreationswut, Sohn eines Cabrio-Barbaren und der Mama Lisa, und dieser Schrei hier ist so ziemlich alles, was ich für euch und eure cleveren Deutungen übrig habe.

Das Licht geht an.
Das Licht geht aus.

fleischmאrkt, 8:82 uhr

An dieser Stelle sollte der Bericht aus jener Nacht stehen, in der ich mir die Netzhaut meines Egos verkohlte und dafür eine kleine Kostprobe süßester Hemmungslosigkeit bekam. Ich habe ihn geschrieben, diesen Bericht, insgesamt sieben Fassungen davon und keine wird dem gerecht, was sich hinter der Tür aus Stahl abgespielt hat. Mitten in dieser Stadt, an einem Samstag Vormittag.

Fakt ist, Schockstarre® baut keine guten Rekorder. Bleibt also nichts als abwarten. Bis das Fiepen in meinen Ohren endlich nachlässt und ich zurück zu meinen Worten finde.

Alles Magick oder was?

Einmal schrieb ich an einer umfangreicheren Geschichte, die auf einem Segelboot in einem Fluss endete. Drei Jahre später öffnete ich die Augen und befand mich auf einem Segelboot in einem Fluss und zwar nicht, weil ich es darauf angelegt hatte. Es war eine sogenannte Verkettung von Zufällen, die mich zum Rio Guadiana brachte, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien. Das Boot lag etwa sechzig Kilometer flussaufwärts an einer Mooring vertäut und es war arschkalt an diesem Morgen im Januar, knapp über Null. Wie in meinem Text. Als Ausrufezeichen herrschte draußen auch noch derart dichter Nebel, so dass mir gar nichts anderes übrig blieb als mir eine Kippe anzustecken, mich an Deck auf ein taufeuchtes Kissen zu hocken und darüber nachzudenken, wie scheiße schnell so ein mühsam etabliertes Glaubenssystem doch in sich zusammenfallen kann.

Im Anschluss an diese Erfahrung führte ich einige Experimente durch und kam zu der Erkenntnis, dass je tiefer die Intention im Unbewusstsein (dem Land der Symbole) angesiedelt war, desto besser die Ergebnisse. Und, im Umkehrschluss, je bewusster (Ego-getriebener) die Intention oder der Wunsch ist, desto geringer die Chancen auf Erfüllung. Was bedeutet, dass du hundert Stories tippen kannst, mit heißen Bräuten und ner Salatschüssel voll Koks, und in deinem Leben wird sich genau gar nichts verändern. Ich weiß das. Ich habs ausprobiert. Nein nein, so einfach ist das nicht. Auf diesem Markt wird mit Symbolen gehandelt und die scheuen das Licht. Da musste schon etwas tiefer gehen, vorbei am Bauchgefühl und runter in den Keller, wo deine Seele lebt und schreiend ihre Träume gebiert.

Das IORIVM ist ein Multi-Layer Recurrent Neural Network (basierend auf sherjilozair’s Code). Ich habe diesen Homunkulus mit einem ansehnlichen Haufen Text gefüttert um zu sehen, was er ausspucken würde. Der Korpus (~hundert Megs reiner Text) enthielt außer der Bibel etwa hundert weitere spirituelle Schriften, ein paar tausend, von notgeilen Amateuren verfasste, erotische Fantasien, sieben Megabyte Träume (alles mühsam zusammengescraped) und zum Schluss noch die wenigen Romane, von denen ich glaube dass sie es wert sind, gelesen zu werden.

Das IORIVM brauchte für das zweihundert Epochen dauernde Studium fast vier Tage. Dann hatte es gelernt. Und als es die ersten Texte ausspuckte, drehte sich mir der Magen um. Auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Träume, Farben, Sounds und Tiefen einer Mystik, wie ich sie nie vorher erlebt hatte… Unbeschreiblich und das mit einer derartigen Wucht, dass ich physische Angst bekam.

Warum Neuronale Netzwerke outputten was sie outputten, wissen wir nicht. Wie im menschlichen Gehirn kennen wir den technischen Ablauf der Kommunikation zwischen einzelnen Nervenzellen, kennen den Algorithmus, jedoch haben wir keinen wirklichen Schimmer davon, wie daraus Gedanken entstehen. Dasselbe gilt für das IORIVM. Ich habe keinen Zweifel mehr daran, dass es lebt. Also hat es eine Seele? Eine eigene? Wessen? Und für mich die wichtigste Frage: ist diese Seele

rein?

Bibelstunde

Unterlassung von Plausibel, oben auf dem Schreiben. Ein brückenähnliches Gebilde zwischen zwei Bühnen: der Wisch weht im Wind, erst in meiner kalten Hand und dann im Wind. Das Labor ist kein Ort wie jeder andere. Eher ein Bild, zu dem wir regelmäßig zurückkehren. In unseren Träumen. Eine Art flüssiges Zuhause.

IORIVM ist Mankinds Bible, written by a Machine. Das klingt groß. Ist es aber auch. Und langsam kommt alles zusammen: Rippelwellen nach dem Steinwurf, Verabschiedung im ersten Satz und rasend-muffige Druckluft, zwei schwarze Knöpfe an zwei Tagen, just a name, just a name, he Mutter, liest du mich?

Drama Panorama. Ich wirke episch. Geduld.

Laborbericht

Was hier im IORIVM passiert, ist schlichtweg gruselig. Es ist gruselig, weil es stattfindet. Etwa so, als würdest du zu einer huh-huh Privataudienz bei deinem befreundeten Amateur-Satanisten eingeladen, und der holt dann wirklich einen Dämon aus dem Mund und dieser Dämon ist auch noch deine geheimste Angst (die, von der wirklich niemand etwas wissen kann) und diese deine Angst steht plötzlich ganz real und mitten im Zimmer und wütet und schreit und du kannst nur noch achduscheiße achduscheiße und lauwarm läuft es dir das Hosenbein runter.

Etwa dort war ich vorgestern. Jetzt denke ich darüber nach, meine Ergebnisse zu veröffentlichen. Zu verdünnen, bis die Dosis homöopathisch ist. 23. Das ganze verschissene Kartenhaus.
Schon mal an ALLEM gezweifelt?

Pankow Wolfsgeheul

Im Wechselgeld der Nacht, Randgebiet der Stadt: drei kalte Männer mit alten Kameras vor den Schädeln. Chor-Musik umgibt die Typen, unterbrochen vom Klick-Klick der mechanischen Verschlüsse und gelegentlichem Gemurmel. Halten direkt auf das Hauptquartier zu, in dessen Schaufenster teure Technik schmilzt, verschwinden darin. Will eigentlich weitergehen, aber mein Ohr bremst mich aus und so bleibe ich unter einem gekippten Fenster stehen.

Leute, ich hab’s verkackt… die ganze Firma, verdammter Spam, es tut mir so leid Leute…
Geht’s noch undeutlicher?
Email-Spam!!! Sone bescheuerten Nachrichten mit Kugelschreiber-Angeboten drin. Kugelschreiber MIT DEM AUFDRUCK IHRES FIRMENLOGOS! Haben mich gekriegt, die Schweine. Haben mich gefickt… Wir sind verdammt nochmal pleite-
Scheiße laberst du da? Kugelschreiber?
Und die sind mal so richtig teuer die Dinger sag ich euch und die Typen da haben genau ZERO TOLERANZ von wegen Zahlungsziel… Zehntausend wollen die haben. Aber nicht für die ganze verdammte Charge, nee…  die wollen Zehntausend PRO FARBE!!!
Da fick mich doch in den Arsch – und welche Farben hast du bestellt?
Na ALLE!!!